SERIE: GREEN BONDS (9 UND SCHLUSS)

Green krempelt Finanzmärkte um

Grün ist günstig, bedeutet innovative Produkte, Themen und Maßstäbe und sorgt für „Stranded Assets“

Green und Sustainable Finance wird in den nächsten Jahren die Finanzmärkte umkrempeln, und das gleich in mehrfacher Hinsicht. Das betrifft Preiskonstellationen, Produktangebot, Investmentthemen, Taxonomie etc. Und Green & Sustainable wird am Ende auch viele herkömmliche Produkte stranden lassen.

Von Kai Johannsen, Frankfurt

Börsen-Zeitung, 19.7.2019

Green Bonds und mit ihnen das gesamte Segment von Green und Sustainable Finance wird die internationalen Finanzmärkte in den kommenden Jahren komplett umkrempeln. Darüber sind sich ausgewiesene Experten dieses Bereiches einig. Die Veränderungen werden weitreichend sein, vieles wird wahrscheinlich noch sehr viel umfangreicher ausfallen, als es heute abgeschätzt werden kann. Auf Folgendes sollten sich Akteure auf jeden Fall einstellen.

Wohin geht die Reise?

Erstens: Als Green Bonds auf den Markt kamen, wurde viel darüber diskutiert, auf welchen Renditeniveaus diese grünen Anleihen im Vergleich zu den herkömmlichen Anleihen liegen sollten. Als sich im Laufe der Zeit Kurven von Green Bonds einzelner Emittenten bildeten, kristallisierte sich schnell heraus, dass die Anleihen – sowohl grün als auch nicht-grün (herkömmlicher Bond) – auf den gleichen Niveaus lagen, man konnte die Kurven praktisch übereinander legen. In diesem Jahr trat nun – so zum Beispiel bei der Europäischen Investitionsbank (EIB), dem Pionier der grünen Anleihen – erstmals das Phänomen auf, dass die Renditen der grünen Anleihen unter den Renditen der konventionellen Anleihen (also nichtgrüne Bonds) lagen. Das Ausmaß betrug zwar nur wenige Basispunkte und ist auch noch nicht als dauerhafter Zustand, sondern eben nur vorübergehend zu beobachten. Aber es zeigt sehr klar, in welche Richtung die Reise geht: Grüne Bonds sind gemessen am Renditeniveau aus Emittentensicht günstiger als nicht-grüne Anleihen. Das zeigt zum einen, dass Anleger eben nicht mehr verlangen, sondern bei einer grünen Anleihe aufgrund des Verwendungszwecks des Anleiheerlöses, den sie für unterstützungswürdig halten, sich mit etwas weniger Rendite begnügen. Zum anderen sollte es Emittenten auch aus Kostengesichtspunkten heraus ermuntern, sich diesem Trend anzuschließen. Denn es ist einfach günstiger.

Zweitens: Da die Nachfrage nach grünen Anleihen und anderen grünen Investitionsobjekten das Angebot solcher Papiere bzw. Objekte übersteigt, besteht wie Andreas Utermann, Chief Executive Officer von Allianz Global Investors, richtig konstatiert, zumindest mal die Gefahr, dass es zu Verzerrungen am Markt kommen kann, weil die Anleger in die aktuell vorhandenen Papiere strömen und diese deshalb auf Renditeniveaus gedrückt werden könnten, die nicht gerechtfertigt sind. Es kann dann zu Fehlsignalen kommen, und Fehlallokationen können die Folge sein. Das wird im Markt immer ein Thema bleiben, solange die Pipeline an Investitionsobjekten nicht so prall gefüllt ist, dass der Verzerrungsmöglichkeit von vornherein der Garaus gemacht wird (vgl. Leitartikel).

Die Verdrängung setzt ein

Drittens: Dieser Punkt knüpft unmittelbar an die beiden vorangegangenen an. Es wird auch andere grüne Projekte geben, als diejenigen, die uns heute bekannt sind. Und diese grünen Investments werden sich an den Preiskonstellationen anderer grüner Assets orientieren; alles andere wäre nicht rational. Und da der Green-Bond-Markt vorgibt, wo die Reise hingeht, werden sich die Initiatoren und Anleger auf eines einstellen können: Grün wird immer unter nicht-grün liegen gemessen am Renditeniveau. Emittenten werden aus Kostengründen schon grün wählen, denn es ist billiger. Anleger akzeptieren weniger Rendite, weil es schließlich ein grünes „Extra“ gibt, das der Anleger ja bewirken will. Nichtgrüne Assets werden deshalb auf lange Sicht von den grünen Assets verdrängt. Und sehr viele dieser traditionellen Vermögensgegenstände – gleichgültig welcher Art – werden aus dem Markt verschwinden, sie werden zu „Stranded Assets“, wie es so schön heißt.

Hoher Freiheitsgrad nötig

Viertens: Was aber unter grün und nichtgrün zu verstehen ist, klärt die jüngst vorgelegte Taxonomie der EU, die im Markt jetzt diskutiert wird. Die Taxonomie wird immer wieder Diskussionsgegenstand sein, denn wenn neue Entwicklungen auftreten, neue Projekte kommen, neue Produkte lanciert werden, neue Player mit neuen Meinungen in den Markt kommen, dann wird man sich immer wieder damit auseinandersetzen müssen, inwieweit die Taxonomie noch up to date ist. Die Verantwortlichen in Brüssel sind gut beraten, den Freiheitsgrad in Sachen Anpassungen der Taxonomie so groß wie möglich zu halten. Das ist nach Einschätzung von Experten zumindest ausgesprochen wünschenswert, denn es ist im Sinne des Ganzen.

Fünftens: Es gibt eine Übergangsphase, die derzeit läuft und die auch noch die kommenden Jahre – vielleicht fünf bis zehn – anhalten wird. Und diese Phase sieht den Übergang von nicht-grün auf grün vor, und zwar in diversen Kapitalmarktprodukten. Tjeerd Krumpelmann, Head of Business Advisory, Reporting & Engagement bei ABN Amro in den Niederlanden, wies auf dem Green Finance Day von PwC Luxemburg darauf hin, dass der Markt der nicht-grünen Assets heute groß ist und künftig klein sein wird, wegen genau dieser Veränderungen. Grüne und nachhaltige Anlagen sind heute vergleichsweise klein, werden aber ein enormes Wachstum erfahren. Das Geld werden Banken, Assetmanager etc. nach Einschätzung von Experten in genau dieser Phase des Übergangs verdienen, auch auf lange Sicht. Denn wer sich jetzt erfolgreich in dieser Phase des Wandels bzw. des Übergangs positioniert und solide Anlegerprodukte lanciert, wird verständlicherweise auf lange Sicht die Nase vorn haben. Anders ausgedrückt: Wie so oft, werden den Letzten die Hunde beißen.

Green Loans kommen

Sechstens: Es stellt sich die Frage, welche Produkte auf die Anlegerwelt zukommen, die den Markt bereichern. Green Loans, also grüne Kredite, könnten ein derartiges Erfolgsprodukt sein. Das leitet eine Studie von PwC Luxemburg her. 30 % der Befragten rechnen gerade bei den Green Loans in Zukunft mit einem verstärkten Angebot. Die Ausgestaltung dieser grünen Kredite kann vielfältig sein, das können grüne gewerbliche Kredite sein, grüne private Kredite oder grüne Hypothekardarlehen, grüne Sanierungs- und Modernisierungsdarlehen, aber auch spezielle grüne Kredite für Unternehmensgründer in bestimmten Bereichen. Der Fantasie sind da keine Grenzen gesetzt. Und von da bis zum grünen Sparbuch, wie es Luxemburgs Finanzminister Pierre Gramegna unlängst ins Spiel brachte, ist es verständlicherweise kein weiter Weg.

Siebtens: Wenn der Kapitalmarkt immer grüner und nachhaltiger wird, und verständlicherweise nicht nur ein Kapitalmarkt in Europa oder anderswo, sondern diverse Plätze, dann wird auch der Finanzsektor insgesamt, also Banken, Assetmanager, Versicherer, Pensionsfonds, Family Offices etc. noch grüner und nachhaltiger in den kommenden Jahren. Das lässt sich schon als zwangsweise Entwicklung ableiten. Auch hier wird es spannend werden, wer die Nase vorn hat. Bislang hat sich auf lange Sicht noch immer Qualität durchgesetzt. Nur wer auch als Bank und auch als Unternehmen das Thema verinnerlicht und es vorlebt – so die Einschätzung von Experten -, wird bei diesem Thema Green & Sustainable am besten abschneiden und diejenigen, die durch eine ausschließlich grüne Kommunikation meinen, auf einen vermeintlichen Modetrend aufspringen zu müssen, weit hinter sich lassen.

Das Spektrum wird bunter

Achtens: Investoren werden sich bei Anlagethemen mit ganz neuen Topics auseinandersetzen (müssen). Innovative Unternehmensgründer kommen auf den Markt und buhlen um Kapital. Neue Risiken, die ja nicht unbedingt höher als bei anderen Projekten sein müssen, sondern auch geringer als diese sein können, werden zu beurteilen sein. Neue Anlagethemen werden das Universum bereichern. Das Spektrum von Investmentthemen wird bunter.

Neuntens: Eine neue grüne und nachhaltige Anlagewelt erfordert auch neue Kriterien und Instrumente der Messung von Performance. Auch das wird sich ausbreiten, sind sich Experten sicher. Es wird neue Aktien- und Bondindizes geben, die sich dem Thema Green und Sustainability widmen und hier die Performance messen. Fragt sich nur, wie lange es in Good Old Germany dauert, bis der deutsche Leitindex Dax einen grünen und nachhaltigen Bruder – oder eine grüne Schwester? – bekommt. Eines ist aber jetzt schon klar: Die Performance des Green Dax wird auf lange Sicht besser sein als die des traditionellen nichtgrünen Dax.


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