LEITARTIKEL

Keine grüne Show bitte!

Börsen-Zeitung, 19.7.2019

Der Markt für Green und Sustainable Finance mitsamt seiner Produkte wie etwa Green Bonds steht klar vor Herausforderungen, die es in den nächsten Jahren zu meistern gilt. Es gibt eine sehr hohe Nachfrage nach solchen grünen und nachhaltigen Anlageprodukten, was unterstreicht, welchen Stellenwert das Thema bei der Kapitalanlage hat und wie tief es im Bewusstsein von Investoren verankert ist. Das ist zu begrüßen. Die Nachfrage ist dabei deutlich höher als das Angebot an grünen Produkten. Das ist natürlich nicht ohne Risiko, können doch auf diese Art und Weise die vorhandenen Anlagegelder in zu wenige Investmentprojekte fließen, was zu Verzerrungen bei den Preisen und damit in der Folge zu falschen Signalen aus diesen Preisen führen kann. Risiken können dann nicht mehr adäquat gepreist sein, Fehlallokationen könnten bewirkt werden.

Das unbestreitbare Ziel besteht demzufolge darin, mehr grüne investierbare Projekte zu schaffen, um derartigen Fehlentwicklungen in den Märkten für Green und Sustainable Finance zuvorzukommen bzw. sie zu vermeiden. Die Betonung liegt gleichermaßen auf „grün“ und „investierbar“, und an dieser Stelle kommt die jüngst vorgelegte EU-Taxonomie für Green und Sustainable ins Spiel, die derzeit ihre Konsultationen im Markt erfährt. Die zentrale Frage ist: Was ist denn überhaupt als grün anzusehen? Die Verantwortlichen sind angesichts des Mangels an grünen investierbaren Projekten gut beraten, die Definition von „grün“ nicht allzu eng auszulegen, damit nicht enorm viele Projekte als nichtgrün und damit als nichtinvestierbar im Sinne von nicht mit der Taxonomie vereinbar klassifiziert werden müssen. Es ist aber auch ein Spagat: Die Definition darf umgekehrt auch nicht zu lasch ausfallen, damit praktisch jedes Projekt, das nur einen grünen Pinselstrich aufweist, gleich als grünes investierbares Projekt gilt. Und die Taxonomie muss – und darauf weist der norwegische Staatsfonds zu Recht hin – für künftige Entwicklungen adaptierbar bleiben, es darf also kein in Beton gegossenes Korsett werden.

Es kommt ein zweiter Aspekt zum Tragen: Andreas Utermann, CEO von Allianz Global Investors (AGI), weist zu Recht darauf hin, dass die Community von Seiten der Assetmanager alles andere braucht als neue – womöglich sehr restriktive – Regeln für das Investieren in Green und Sustainable Finance. Investmentansätze dürfen nicht von regulatorischer Seite eingeschränkt werden in dem Sinne, dass vorgegeben wird, was investierbare grüne Benchmarks sind, in die alle nur noch investieren dürfen und die innerhalb der Investmentansätze zulässig sind. Anders ausgedrückt: Viele Wege führen nach Rom. Denn es gibt – wie Utermann festhält – viele gute Investmentstile, mit denen sich in klima- und umweltrelevante Investmentprojekte investieren lässt, und diese Projekte sind unstrittig auch dazu geeignet, die Klima- und Umweltziele – oder in einem breiteren Kontext die Nachhaltigkeitsziele der UN – zu erreichen. Es wäre also fatal, genau bei diesen Investmentansätzen selbst oder bei den Projekten Einschränkungen vorzunehmen, die letztlich nicht nur dazu führen, dass die Projekte nicht zum Laufen kommen, sondern auch Assetmanager vor das Problem stellen, dass ihre Anlagestile oder Teile davon nicht mehr angewandt werden können, da sie keine Kompatibilität mit der Definitionen von „grün“ aufweisen.

Und es muss darum gehen, dass „grün“ und „nachhaltig“ von Banken, Assetmanagern, Versichern, Unternehmen und Staaten auch vorgelebt werden. Ein Bewusstsein für „green“ und „sustainable“ und damit verbundene Probleme, Herausforderungen, aber auch Chancen erlangt man nur, wenn man „grün“ und „nachhaltig“ auch selbst lebt. Dann investiert man in diesen Bereichen auch, weil man die Wichtigkeit dieser Projekte selbst in der eigenen Institution erfahren hat. Das führt unzweifelhaft auch zu einem anderen Umgang mit diesen Projekten und einer anderen realistischeren Einschätzung des damit verbundenen Risikos. Wer die Wichtigkeit und damit die Tragweite eines grünen Investitionsprojektes erkannt hat, verliert Risikoscheu, wird eher zum „Überzeugungstäter“ und muss nicht mehr überzeugt werden. So fließt dann auch leichter Geld in Projekte, die Gutes bewirken.

Was nicht gebraucht wird, und das ist leider in Deutschland bei vielen Adressen der unterschiedlichsten Herkunft zu beobachten, ist, dass alles beim Alten bleibt und nur die Kommunikation grün gestrichen wird. Sätze wie „Wir haben schon vor 15 Jahren angefangen, über so wichtige Themen wie Green und Sustainable nachzudenken“ oder „Klima- und Umweltprobleme sind uns seit vielen Jahren geläufig“ braucht kein Mensch. Das fliegt den Verantwortlichen höchstens um die Ohren. Grün und nachhaltig agieren und keine grüne Show bitte.

Von Kai Johannsen

Green und Sustainable Finance muss ernst genommen und die Herausforderungen angegangen werden. Was nicht gebraucht wird, ist eine grüne Show.


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