IM INTERVIEW ZUR SERIE GREEN BONDS: NEV HYMAN, GRÜNDER VON NEVHOUSE (8)

„Wir lieben, was Sie tun“

Erfolgreicher Unternehmensgründer über Green und Sustainable Finance sowie den Umgang der Community mit Risiko – „Veranstaltet nicht eine gute Show“

Artikel Interview

Nev Hyman ist ein innovativer Unternehmensgründer aus Australien. Er befreit die Umwelt von Plastikmüll, so zum Beispiel aus Ozeanen. Im Interview der Börsen-Zeitung stellt er seine Sichtweise auf Green und Sustainable Finance dar und was sich noch ändern muss.

Börsen-Zeitung, 13.7.2019

Herr Hyman, was halten Sie von Green und Sustainable Finance sowie ESG – Environment, Social und Governance? Eine gute Entwicklung an den Finanzmärkten?

Nev HymanJa, ohne Zweifel. Unsere Branche kann ihre Ziele nicht ohne die Unterstützung dieses Finanzsegments Green und Sustainable erreichen. Das ist offensichtlich. Alle großen Unternehmen weltweit haben eine diesbezügliche Verantwortung im Rahmen ihrer Firmenstrategie, etwas zu unternehmen, und zwar über die Gewinnerzielung hinaus. Die Tatsache, dass sich die Menschen des Klimawandels immer bewusster werden und dass auch in China etwas gegen diese Verschmutzung unternommen wird, zeigt, dass die Welt langsam aufgewacht ist.

Woran sehen wir das?

Alle weltweit sprechen über die Verschmutzung der Umwelt, insbesondere auch über die der Ozeane und dieses Bewusstsein findet sich auch überall in den Medien wieder und ist in den Diskussionen in den Unternehmen auf höchster Ebene. Die Firmen werden nun auch verantwortungsbewusster, um jetzt auch ihren Beitrag zur Veränderung zu leisten. Wir leben in einer interessanten Zeit. Vor fünf Jahren haben die Leute über das Thema geredet, aber es hatte noch nicht diesen kritischen Punkt erreicht, dass man entsprechende Verpflichtungen abgab. Und nun haben wir diesen Gezeitenwechsel.

Was sagen denn die Leute zu Ihrer Idee, Plastikmüll zum Beispiel aus den Ozeanen zu sammeln, Bauelemente daraus herzustellen und Häuser zum Beispiel für Katastrophensituationen zu bauen?

Ich habe den einfachsten Job der Welt. Denn ich verkaufe eine sehr einfache Lösung, und dabei handelt es sich um eine soziale, ökonomische und umweltbezogene Lösung für bezahlbaren Wohnraum. Es ist interessant, dass viele Menschen gerade auf das Problem Plastik in den Ozeanen fixiert sind und damit auf die Säuberung derselben. Ich teile diese Einschätzung nicht gerade. Weltweit sollten alle Institutionen und grüne Gruppierungen ihre Anstrengungen dahingehend ausrichten, dass Plastikmüll nicht mehr in die zehn größten Flüsse im asiatisch-pazifischen Raum in den nächsten Jahren geht. Das ist kein altruistisches, sondern ein praktisches realitätsbezogenes Statement. Eines ist doch klar: Wir können die Ozeane nicht komplett säubern. Aber wir können alle unser Bestes geben, wenn es darum geht, das Plastik zu entsorgen, das wir im Ozean, am Strand und in Flüssen sehen. Es ist ein bisschen wie mit dem Klimawandel.

Das heißt?

Klimawandel findet statt. Und wir müssen versuchen, diesen zu lindern. Es ist das Gleiche wie mit Plastik. Plastik umgibt uns und begleitet uns in unserem Leben. Es ist um uns herum; man kann Plastik nicht einfach so stoppen, auch nicht die Herstellung von Plastik. Wir brauchen es vielfach. Aber wir müssen den Schaden, den Plastik in unserer Umwelt anrichtet, abschwächen.

Und wie?

Wir müssen Plastik einen Wert geben, und zwar nicht nur der Wasser- oder Milchflasche, sondern allen Arten von Plastik, die wir haben: Plastik von der gewerblichen Seite, in Flüssen, auf der Straße et cetera. Das bedeutet, dass wir uns mit allem Plastik auseinandersetzen müssen. Mein Unternehmen Nevhouse und andere Firmen haben eine Lösung dafür geschaffen, gleichgültig ob dieses Plastik kontaminiert ist oder nicht beziehungsweise sortiert oder nicht. Das macht für unseren Prozess keinen Unterschied. Wir sind nun in der Lage, Leute in Indonesien etwa zu bezahlen, wenn sie dieses geringwertige Plastik sammeln. Und das schafft auch Einkommen, die in diesen Ländern nicht gerade auf einem Niveau sind, das zu vernachlässigen wäre.

Und wie reagieren Vertreter aus der Finanzbranche auf Ihre Idee?

Das ist eine sehr gute Frage. Die Zeiten haben sich in den vergangenen etwa fünf Jahren signifikant verändert. Momentan habe ich das Gefühl, dass die Finanzindustrie etwas vorsichtiger, risikoaverser und auf den Aspekt des Ertrages bedacht ist. Es wird aber auch viel darüber gesprochen, dass Veränderungen herbeigeführt werden müssen. Ich stelle auch auf Impact-Investing-Konferenzen fest, dass das Interesse an solchen Lösungen größer wird. Es ist eine sehr praktikable Lösung, und wir können in sechs Monaten erreichen, dass man erste Ergebnisse sieht, dass Plastikmüll nicht mehr in die Umwelt gelangen muss. Und das kann auf globaler Ebene skaliert werden.

Und wie sieht es bei Nevhouse konkret aus?

Ich kann sagen, dass wir unsere Ziele, nach ungefähr sechs bis neun Monaten nachdem das Kapital eingezahlt wurde, zu erreichen beginnen werden. Wir stoppen dann, dass Plastikmüll in die Flüsse geht. Und wenn die Finanzszene das sieht, kann sie das Commitment für größere Beträge, also Hunderte von Millionen oder Milliarden für solche Projekte abgeben. Dann können solche Projekte für die gesamte Region Asien-Pazifik skaliert werden oder wo immer diese Probleme sonst noch auftauchen, um so dann dafür zu sorgen, dass Plastik nicht mehr in die Flüsse gelangt. Genau das muss gestoppt werden, damit es nicht mehr in die Ozeane kommt. Dieses Verständnis der Finanzindustrie ist nötig. Und deshalb müssen wir Plastik einen Wert geben, so dass Menschen in diesen Regionen ihn sammeln. Sie werden genau dafür dann auch bezahlt. Und so kann man daraus auch Unterkünfte für diese Personen bauen, ihre Community et cetera.

Welche Erfahrungen haben Sie mit der Kapitalmarkt-Community rund um Green und Sustainable Finance gemacht, wenn es um Investments in Ihr Unternehmen geht?

Die Erfahrung, die ich auf meinen Reisen quer durch Europa gemacht habe, bei denen ich all diese Institutionen und Family Offices getroffen habe, war, dass mein Unternehmen immer noch als ein Start-up eingestuft wurde. Deshalb habe ich nicht die Kriterien der Investment-Community erfüllt. Das Risiko wurde immer als zu hoch angesehen. Es gab auch mal andere Zeiten, und das sieht man anderen erfolgreichen Beispielen etwa aus den Niederlanden. Es gab eine Zeit, da wurden Risiko und Ertrag gegeneinander abgewogen. Es ist schwierig, Kapital für unsere Projekte eingeworben zu bekommen, weil wir als Start-up angesehen werden, und das, obwohl wir die Geschäftsarchitektur schon haben und seit sechs Jahren aktiv sind. Das ist schon eine bittere Pille.

Welche drei Antworten haben Sie am häufigsten gehört, wenn es abgelehnt wurde, in Ihre Firma zu investieren?

Eine Antwort ist: Wir lieben, was Sie tun, und wir sehen auch, dass Sie Veränderungen bewirken und damit die Welt verändern. Aber es entspricht nicht unserem Mandat, in eine Firma wie Ihre zu diesem Zeitpunkt zu investieren. Eine weitere ist: Wenn Sie einen Ankerinvestor haben, dann kommen Sie bitte noch mal zurück und lassen Sie uns über die zweite Runde der Kapitalaufnahme oder Finanzierungen reden. Und: Wenn Sie Ihre Anlage gebaut haben, dann kommen Sie bitte wieder und wir werden dann sehr erfreut sein, in Ihre Company zu investieren und zu der notwendigen Skalierung beizutragen. Mit anderen Worten: Alle wollen nicht der erste Risikonehmer sein, lass einen anderen diese Rolle übernehmen. Und danach werden wir Deine Firma dann auf globaler Ebene finanzieren. Das habe ich so viele Male gehört. Es geht darum, dass große Summen in diese Firma allokiert werden können, aber nur wenn wir einen nachweislichen Track Record bezüglich der Erträge haben.

In welchen Regionen und Ländern haben Sie Investoren besucht und welche Typen von Investoren haben Sie getroffen?

Ende 2017 hatten wir unser Ziel erreicht, in Luxemburg einen Reserved Alternative Investment Fund einzurichten. Ich habe sehr viele Investoren in der Folgezeit getroffen, darunter auch sehr einflussreiche. Ich war neben Luxemburg in London, Paris, Zürich und auch in den USA. Ich habe Banken, Stiftungen, Family Offices et cetera getroffen. Es war eine großartige Erfahrung. Ich bin glücklich darüber, dass ich über meine Freunde und mein Team In Luxemburg das erreichen konnte.

Denken Sie, dass diese Investoren überhaupt kein Geld investieren wollen? Glauben Sie, dass viele dieser Personen nur darüber sprechen, was wir alle gegen den Klimawandel und für unsere Umwelt tun müssen und sie am Ende aber doch die Taschen zuhalten?

Um ganz ehrlich zu sein: Ja. Die Leute sollten etwas mehr Risiko übernehmen und in etwas investieren, was etwas unglaublich Gutes erreicht in einer sozialen, wirtschaftlichen und umweltbezogenen Hinsicht. Und sie können dabei einen signifikanten Ertrag generieren. Denn mein Geschäftsmodell ist einzigartig. Wir können zudem Häuser zu so geringen Kosten bauen. Das bedeutet auch einen signifikanten Profit für jeden, der hier involviert ist. Und es bedeutet auch, eine signifikante Menge an bezahlbarem Wohnraum für Flüchtlinge, Vertriebene und für von Katastrophen betroffenen Menschen bereitzustellen. Auf diesen Impact-Konferenzen wird sehr viel gesprochen. Aber nach den Konferenzen gibt es leider nicht sehr viele Aktionen. Das sage ich mit dem größten Respekt vor allen diesen Konferenzteilnehmern.

Ein konkretes Beispiel?

Ich habe mich auf einem Event mit großen Investmentfirmen in Europa am Ende der QA-Runde zu Wort gemeldet, mich vorgestellt und gesagt: Ich habe eine Lösung, die sofort bereit gestellt werden kann. Bitte kommen Sie nach der Veranstaltung zu mir. Niemand ist gekommen. Vielleicht liegt es aber auch nur daran, dass ich als Australier ein wenig zu direkt bin.

Sehen Sie das gleiche oder ein ähnliches Investorenverhalten in allen Regionen oder ist das von Region zu Region unterschiedlich – zumindest ein wenig?

Wenn ich dieselbe Menge Energie in die Region USA investiert hätte, die ich in Europa investiert habe, glaube ich, dass ich mehr Erfolg gehabt hätte. Ich kann das nicht nachweisen, es ist nur ein Gefühl. Ich hatte nicht den gleichen Fokus, weil ich da keinen Fonds hatte. Ich hatte bekanntlich einen Fonds in Luxemburg.

Hören Sie von anderen Unternehmensgründern Ihrer Szene, dass sie die gleichen Erfahrungen gemacht haben. Teilen diese Personen Ihre Sichtweise?

Ja. Das kenne ich auch von anderen innovativen Unternehmensgründern. Es ist ein wenig die Situation von Henne und Ei. Wie sollst du den Track Record eines Geschäftsmodells nachweisen, wenn du eben nicht das Geld bekommst, um genau so ein Geschäft aufzubauen, das diesen Track Record dann auch liefern kann. Vor zehn Jahren haben die Leute investiert und waren über das damit verbundene Risiko nicht so sehr besorgt, wie sie es heute sind. Man denke nur an so manche Dotcom-Firma, in die investiert wurde, viele Jahre bevor überhaupt nur daran zu denken war, dass diese Firma einmal einen signifikanten Ertrag abwerfen würde. Ich würde mir wünschen, dass die Investment-Community leichter investieren würde und ihre hauseigenen scharfen Investmentrestriktionen mal für einen Moment vergessen könnte und dann mal in etwas wirklich Positives für die Umwelt investiert.

Welche Einstellung der Investoren wünschen Sie sich für sich selbst und für die Community, in der Sie sich bewegen?

Die Einstellung, die ich mir von der Investment-Community für die Zukunft erhoffe, lautet folgendermaßen: Übernimm Risiko – für etwas, das so viel Gutes bedeutet!

Glauben Sie, dass es für einige Vertreter des Green-Finance-Universums sich hierbei nur um eine Modeerscheinung handelt, der sie folgen, anstatt um eine Art des nachhaltigen Lebens mit einer klaren Selbstverpflichtung, etwas verändern zu wollen?

Das kann ich voll und ganz unterschreiben. Diese neue grüne und nachhaltige Welt ist für viele Unternehmen willkommen, da man sich modern gibt und zeigt, dass man das Richtige macht. Sie wollen, dass man sieht, dass sie die richtigen Dinge tun: Lasst uns eine Konferenz zu nachhaltigen Entwicklungen machen, ein Forum für Abfallentsorgung, eine Konferenz zu Klimawandel. Dann sehen die Aktionäre und die Öffentlichkeit, dass sie agieren. Für mich geht es aber um den Punkt: Handelt jetzt und veranstaltet nicht eine gute Show, mit der ihr der Welt zeigt, dass ihr die richtigen Dinge tun würdet. Das erfordert Investitionen.

Was ist für Ihre Zwecke ein gutes Kapitalmarkt- oder Finanzierungsprodukt?

Wir hatten bekanntermaßen den Raif – den Reserved Alternative Investment Fund – in Luxemburg etabliert, der aber wieder geschlossen wurde. Ich würde diese Form von Vehikel auch gerne wieder nutzen. Für mich ist das die beste Art und Weise, um Kapital aufzunehmen, und eine Skalierung meiner Lösung zu realisieren. Ich würde mich freuen, wenn ich das mit meinen Geschäftspartnern in Luxemburg wieder machen könnte, und zwar für die zweite Runde von Finanzierungen und wenn wir eben nicht mehr als Start-up eingestuft werden. Es ist ein Impact Investment Fund, wo Leute in einen Fonds investieren und einen signifikanten Ertrag erzielen können. Und der Fonds nutzt die Gelder, um etwas Gutes zu erreichen. Die andere Opportunität für diese Firma besteht in der Möglichkeit der Lizenzierung der Technologie. Es kann also ein Lizenzierungsmodell geben. Es kann aber auch ein Public Private Partnership Modell geben oder ein Joint-Venture-Modell. In jedem dieser Modelle werden die Ergebnisse bereits nach sechs bis neun Monaten sichtbar, und es wird ausgesprochen schnell die Profitabilität erreicht.

Das Interview führte Kai Johannsen.


Die kostenlose Veröffentlichung dieser Artikel aus der Börsen-Zeitung wird ermöglicht durch: