GREEN BONDS - INTERVIEW ZUR SERIE GREEN BONDS (4): MANDY DEFILIPPO

„Grüne und soziale Bonds sind klar im Fokus der ICMA“

Markt zeigt starkes Wachstum und ist auf dem Weg zum Mainstream – Green und Social Bond Principles etablieren sich als globaler Marktstandard

Artikel Interview

Börsen-Zeitung, 16.5.2019

Frau DeFilippo, wo steht der Markt für grüne, soziale und nachhaltige Anleihen heute?

Mandy DeFilippoWir sehen weiter eine steigende Nachfrage von Investoren, und die Aktivitäten auf der Emittentenseite nehmen entsprechend zu. Im vorigen Jahr haben die Emissionen von grünen, sozialen und nachhaltigen Anleihen neue Hochs erreicht. Das war beeindruckend in Anbetracht der Tatsache, dass das Marktumfeld im späteren Jahresverlauf anspruchsvoller wurde. Die stärksten Zuwachsraten verzeichneten die nachhaltigen und sozialen Anleihen, bei denen wir zweistellige Zuwachsraten gegenüber 2017 sahen. Der Green-Bond-Markt, den es schon länger gibt und der damit schon reifer ist, sah bei den Emissionen aber noch respektable einstellige Zuwächse. Zusammen erreichten die grünen, sozialen und nachhaltigen Anleihen mit einem Emissionsvolumen von mehr als 200 Mrd. Dollar einen Rekord. Die Entwicklungen in den ersten Monaten dieses Jahres deuten an, dass die Marktprognosen von 210 bis 250 Mrd. Dollar in diesem Jahr erreicht werden könnten. Finanzinstitutionen sind emissionsseitig führend. Das überrascht nicht angesichts des generell guten Marktumfeldes für Emissionen. So haben die Finanzinstitutionen ihren Marktanteil ausgebaut und stellen mit 30 % die größte Emittentengruppe. Auf globaler Ebene ist die Entwicklung in der Region Asien-Pazifik bemerkenswert. Hier legten die Bond-Emissionen um 35 % gegenüber dem Vorjahr zu.

Wie sehen Sie das Marktumfeld, und was sind Wachstumstreiber?

Da gibt es mehrere Faktoren zu berücksichtigen, die zusammen in den vorigen Jahren das Momentum bestimmt haben. Die Idee des ESG-Investments – also Anlagen basierend auf Umwelt-, Sozial- und Unternehmensführungsaspekten – begleitet uns seit den neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, legt jetzt aber stark zu. Einige sprechen davon, dass derzeit schon mehr als 20 Bill. Dollar Assets under Management nach ESG-Aspekten angelegt sein sollen. Das allein führt naturgemäß schon zu einer starken strukturellen Nachfrage nach grünen, sozialen und nachhaltigen Anleihen. Ein Ergebnis dieses Trends ist, dass Neuemissionen sehr stark überzeichnet sind.

Gibt es Aspekte oder Initiativen, die den Trend unterstützen?

Rund um den Globus sehen wir gerade im öffentlichen Bereich eine starke Unterstützung für Green Finance im Zusammenhang mit dem Pariser Klimaabkommen von 2015, aber auch mit den Klimazielen der UN-Nachhaltigkeitsziele. Das hat zu einer direkten Nachfrage nach grünen und nachhaltigen Bonds geführt, um Projekte zu finanzieren, die das erklärte Ziel verfolgen, Effekte des Klimawandels zu adressieren oder sie zu mildern. Die Einführung von diversen Green-Bond-Indizes ist ebenso eine unterstützende Entwicklung, um die Nachfrage von institutionellen Investoren zu steuern. Zu nennen sind hier etwa der Bloomberg MSCI Barclays Green Bond Index, BAML Green Bond Index, S&P Green Bond Index und der Solactive Green Bond Index und im Asien-Pazifik-Raum der China Bond China Green Bond Index und der China Bond China Green Bond Select Index. Und es darf in dieser Diskussion über Green Bonds und ihr Marktwachstum natürlich nicht vergessen werden, was die multilateralen Förderinstitutionen als Emittenten dem Markt an Unterstützung geben, insbesondere die Europäische Investitionsbank und die Weltbank.

Wer sind die Hauptemittenten?

Der Markt für ESG-Instrumente wird im Hinblick auf die Emittenten – also Staaten, Unternehmen und Finanzinstitutionen – immer ausgeglichener, und wir sehen, dass immer mehr neue Emittenten in den Markt strömen. 2018 hatten wir mehr als 200 Emittenten aus mehr als 40 Ländern, die erstmals einen Green Bond begaben. Diese zunehmende Diversifikation und der steigende Emissionsumfang sind entscheidend, wenn es darum geht, Green Bonds und ESG-Instrumente an den Kapitalmärkten zum Mainstream zu machen. In Europa und Asien hat sich das Emissionsgeschäft weiter gut entwickelt. In Europa ist die Emittentenbasis sehr ausgeglichen, und man sieht insbesondere sehr aktive Unternehmen auf der Emittentenseite. In den Emerging Markets dominierten in den vorigen Jahren Finanzinstitutionen. Das reflektiert ihre wichtige Rolle in diesen Märkten und ihre Fähigkeit, Green Assets zu generieren. Die Emissionsaktivität der Staaten nimmt ebenfalls zu. Beträchtliche Emissionsprogramme treten insbesondere in Europa und Asien zutage. In den USA waren die Volumina generell sehr stark, angeführt von ABS-Emissionen. Diese dominierten bei den Volumina. Maßgeblich war Fannie Mae hier aktiv. Es gab aber auch signifikante Diversifikationen unter den Gebietskörperschaften.

Und was sind die Haupttrends unter Investoren?

In den entwickelten Märkten dominierten bislang die Portfolios mit einer spezifischen ESG-Ausrichtung oder einem grünen Fokus die traditionellen Accounts, wenn es um das Investment in grüne Instrumente ging. Wir gehen aber davon aus, dass eine breitere ESG-Integration dafür sorgen wird, dass von Portfoliomanagern eine stärkere Nachfrage nach diesen Instrumenten kommt. Mit anderen Worten: Portfoliomanager werden nach grünen oder ESG-Instrumenten Ausschau halten, um ihre breitere Portfolioausrichtung zu realisieren. Diese Produkte werden also nicht mehr nur für spezialisierte oder themenbasierte grüne Fonds gekauft. Wir haben beispielsweise von einem großen Assetmanager in Europa gehört, dass er hohe Bestände in grünen Anleihen hält, aber nur einen geringen Anteil in grünen Themenfonds. Es gibt also beträchtliche Green-Bond-Portfolios, manche Treasurer haben Investments jenseits von 1 oder 2 Mrd. Euro angekündigt, so zum Beispiel Versicherer, die hohe Volumina anzulegen haben. Themenbezogene grüne Anleihefonds lagen Ende vorigen Jahres nach Schätzungen von Environmental Finance bei ungefähr 5 Mrd. Euro.

Welchen Einfluss zeigen die staatlichen Emittenten?

Die staatlichen Emittenten sind sehr wichtig, denn sie bringen Volumen und Liquidität in die Benchmark-Bonds. Das gilt insbesondere für Europa. Polen und Frankreich gehörten in den vorigen Jahren zu den Debüt-Emittenten im europäischen Markt. Frankreich ist mit einem Volumen von mehr als 16 Mrd. Euro an Green Bonds der größte Emittent. Belgien debütierte 2018 mit einem grünen Bond über 4,5 Mrd. Euro brachte damit den größten Einzel-Deal im grünen Anleihemarkt. Andere Debüt-Emittenten waren 2018 Irland, Litauen und die Seychellen. Wir erwarten weitere Staaten in diesem Jahr mit Green Bonds, darunter auch solche, die im Markt bisher noch nicht aktiv waren. Im Raum Asien-Pazifik setzte Indonesien den Meilenstein, als es 2018 mit ihrem grünen Sukuk über 1,25 Mrd. Dollar debütierte. Und das Land ist in diesem Jahr bereits mit seinem zweiten Deal an den Markt zurückgekehrt. Wir sind zuversichtlich, dass sich dieser Trend fortsetzt und weitere Staaten aus der Region kommen werden.

Was geschieht außerhalb Europas?

Es handelt sich mittlerweile um einen globalen Markt. Schätzungsweise 50 % der Emissionen stammen von außerhalb Europas. Die USA und China haben voriges Jahr die größten Volumina an den Markt gebracht, gefolgt von Frankreich. Im Raum Asien-Pazifik hat es eine beeindruckende Zunahme der Green-Bond-Aktivitäten gegeben. Auffällig war auch das klare Commitment seitens der chinesischen Emittenten, nachdem die offiziellen Marktrichtlinien publiziert worden sind. ICMA war sehr stark einbezogen in den Entwicklungsprozess dieses Marktes in Asien über unsere Green Bond Principles – GBP. Wir haben ein enormes Interesse sowohl von potenziellen Emittenten als auch von Investoren bei unserer Green-Bond-Jahreskonferenz in Hongkong vorigen Jahres gesehen mit fast 1 000 Teilnehmern und der Unterstützung der Hongkonger Währungsbehörde.

Wie trägt ICMA zum Marktwachstum bei?

ICMA hat mit den GBP in den vergangenen fünf Jahren und später mit der Entwicklung der Social Bond Principles – SBP – de facto einen Marktstandard für die Emission von grünen, sozialen und nachhaltigen Anleihen geschaffen. Die GBP und SBP sind vollkommen freiwillige Richtlinien für die Emittenten von grünen und sozialen Bonds. Die Prinzipien legen die charakteristischen Schritte für einen Emittenten dar, wenn er erwägt, einen grünen Bond zu emittieren. Dazu gehören auch die Empfehlungen, welche Arten von Informationen für Investoren bereitgestellt werden sollten, das heißt, welche sie erwarten im Zusammenhang mit den Projekten, die diese Bonds finanzieren. Und es geht auch darum, wie der Umwelteinfluss beurteilt wird. Auch wenn diese Prinzipien eine umfangreiche High-Level-Liste enthalten, welche Umweltprojekte in Frage kommen wie etwa Verschmutzungsprävention, erneuerbare Energien, Energieeffizienz et cetera, diktieren sie aber nicht, was grün oder sozial ist und was nicht. Sie zielen darauf sicherzustellen, dass diese Informationen verfügbar und verifiziert sind, so dass Investoren, aber auch Indexanbieter selbst beurteilen können, ob sich diese Instrumente für ihre eigenen Zwecke nun als grüne oder soziale Investments qualifizieren. Für uns bei der ICMA ist es natürlich eine Inspiration zu sehen, dass die Verwendung der GBP mit dem Marktwachstum zugenommen hat. Das belegt dann auch, dass die GBP das Marktwachstum in den entsprechenden Bereichen unterstützt haben. Wir stellen die GBP auf unserer Webseite in 20 Sprachen bereit. Das ist ein klarer Beweis dafür, dass sie global eingesetzt werden.

Wie sind die GBP und SBP organisiert, und wie werden sie weiterentwickelt?

Es ist wichtig zu wissen, dass die Prinzipien nicht allein von der ICMA entwickelt werden, sondern die gesamte Community von Emittenten, Investoren, Investmentbanken und anderen Markteilnehmern ihren Beitrag dazu leistet. ICMA unterstützt generell den Prozess der Entwicklung der Prinzipien. Es ist aber der GBP/SBP-Exekutivausschuss – dieser enthält Repräsentanten von allen Institutionen aus diesem Markt -, der die relevanten Entscheidungen trifft. Inhaltliche Beiträge leisten die Emittentengemeinschaft, Investoren, Nichtregierungsorganisationen, Serviceanbieter, die akademische Welt und Wirtschaftsprüfer. Das sind mehr als 300 Institutionen. Und diese Community trifft sich bei der Green-Bond-Principles-Jahreskonferenz, die dieses Jahr im Juni in Frankfurt stattfindet. Bei dieser Konferenz wird das 2019er Update der Principles veröffentlicht, und es wird auf öffentlichen Panels über die Markttrends und die künftigen Entwicklungen diskutiert. Darüber hinaus beteiligt sich ICMA auch im politischen Dialog auf G20-Ebene und bei der EU, und wir engagieren uns im öffentlichen Bereich dergestalt, dass nationale und regionale Regulierungsinitiativen im Einklang stehen mit den internationalen Marktstandards der GBP und SBP. Eine hoch qualifizierte Ausbildung unserer Mitglieder im Green-Bond-Bereich hat für uns Priorität. Wir bieten intensive Ausbildungsseminare für Green Bonds und darüber, wie die GBP zu installieren sind. Dafür haben wir seitens der Mitglieder in Europa und in Asien eine starke Nachfrage.

Sehen Sie, dass sich diese Rolle verändert?

Grundsätzlich gehe ich davon aus, dass grüne und soziale Anleihen ein klarer Fokus in der Zukunft bleiben werden. Der Markt kann davon ausgehen, dass ICMA in diesem Bereich sehr aktiv bleiben wird in Anbetracht der Expertise, die wir hier haben, und der Rolle, die wir bisher gespielt haben. Mit dem weiteren Marktwachstum und der Entwicklung hin zum Mainstream gehen wir davon aus, dass sich unsere Interaktion mit den Mitgliedern und dem Markt noch verstärken wird. Unser Wissen und unsere Expertise in den konventionellen Primär- und Sekundärmärkten kommt dabei zum Tragen. Unser Dialog mit dem öffentlichen Sektor in Europa hat sich durch die Mitarbeit in der technischen Expertengruppe der EU vertieft. Wir sind erfreut darüber, dass wir zu Nachhaltigkeitsinitiativen in einem größeren Umfang beitragen können.

Wie sieht es mit Ihrem Beitrag zu anderen grünen Zinsprodukten aus – etwa grünen Krediten?

Wir sind sehr erfreut, dass wir bei der Einführung und anschließenden Weiterentwicklung der Green Loan Principles involviert waren. Das gilt auch für die Sustainability Linked Loan Principles, die in Zusammenarbeit mit der Loan Markets Association sowie der Asia Pacific Loan Markets Association und der Loan Syndicated and Trading Association entwickelt wurden.

Wie sehen Sie den Aktionsplan für nachhaltige Finanzen der EU-Kommission?

Das ist ein wichtiger Schritt nach vorn. Wir sind sehr erfreut, das wir in der Technical Expert Group für Sustainable Finance mitarbeiten, die für diverse Initiativen Empfehlungen abgibt. Dazu gehören die EU-Taxonomie, der Green-Bond-Standard, die Methodologie für Low-Carbon-Indizes sowie die Maßstäbe für klimabezogene Angaben. Aktiv sind wir insbesondere bei den Arbeiten zum Green-Bond-Standard. Hier wurde kürzlich der Zwischenbericht für die öffentlichen Konsultationen veröffentlicht. Die abschließenden Empfehlungen für die Europäische Kommission kommen im Sommer dieses Jahres. Des Weiteren gibt es noch andere Aspekte in diesem Aktionsplan, und die ICMA hat hier zu diversen Konsultationen ihren Beitrag über die Fachbereiche geleistet.

Der internationale Markt hat sich auf der Basis freiwilliger Standards schon so weit entwickelt. Wird jetzt wirklich mehr Regulierung benötigt?

In der Tat hat der Markt ein spektakuläres Wachstum gesehen, das durch freiwillige Prinzipien wie die GBP und SBP unterstützt wurde. Aus unserer Sicht gibt es auch keine Marktdisfunktion, die regulatorische Eingriffe erfordern würde. China hat einen regulierten Markt für Green Bonds und Green Finance im Allgemeinen etabliert. In Asien haben die regulierenden Stellen Vorsichtsmaßnahmen ergriffen, um die Marktentwicklungen zu unterstützen sowie die Marktintegrität zu fördern. So wurden beispielsweise Maßnahmen ergriffen, um externe Bewertungen von Green Bonds oder detaillierte Vorgaben für grüne Projektkategorien zu ermöglichen. ICMA hat zu diesen Initiativen Beiträge und Feedback geliefert. Wir haben selbst wiederum das Feedback erhalten, dass das gut vorankommt. In Europa gibt es viele ambitionierte Maßnahmen wie den Green Bond Standard und die EU-Taxonomie. Über den GBP-Exekutivausschuss sind wir aktiv und geben unsere Empfehlungen ab. Unser Ziel besteht darin, die Kompatibilität mit den internationalen Marktstandards sicherzustellen und negative und unbeabsichtigte Konsequenzen zu vermeiden. An oberster Stelle steht für uns, den Green-Bond-Markt für alle Arten von Emittenten offen zu halten. Mit Blick auf Green-Bond-Transaktionen wollen wir Einstiegsbarrieren für diesen Markt vermeiden, damit es nicht zu einer Einschränkung von Neuemissionstätigkeiten in diesem Markt kommt.

Luxemburg hat 2018 ein grünes Pfandbriefgesetz installiert für die Refinanzierung von Assets der erneuerbaren Energien – das erste seiner Art weltweit. Ein Schritt in die richtige Richtung?

Absolut. Dies ist definitiv eine willkommene und positive Entwicklung. Es wird eine neue Kategorie von Covered Bonds mit einem Bezug zu erneuerbaren Energien geschaffen. Es ist ja diesbezüglich auch nicht die erste Initiative aus Luxemburg, das bei Green-Finance-Entwicklungen schon oft im Vordergrund stand. So hat Luxemburg eine grüne Börse geschaffen und wurde damit zu einem bevorzugten Listing-Platz für grüne und nachhaltige Blonds.

In Europa gibt es diverse Zertifizierungsagenturen für grüne und nachhaltige Kapitalmarktprodukte wie Bonds oder Fonds. Wäre ein EU-weites Label für grün und nachhaltig nicht hilfreich für die Marktentwicklung, insbesondere mit Blick auf Privatanleger?

Die Bondmärkte in Europa sind im Wesentlichen von institutionellen Anlegern dominiert, und relativ wenige Retail-Anleger sind hier aktiv. Angesichts des weitgehenden Einsatzes der GBP und SBP im europäischen institutionellen Markt könnte man argumentieren, dass diese Prinzipien bereits ein Label für grüne, soziale und nachhaltige Bonds darstellen, und zwar auf der Grundlage einer freiwilligen Entwicklung. Zudem wurden sie von allen im Markt akzeptiert, in Europa und international. Wir sind sehr stark involviert in die Diskussionen auf EU-Ebene bezüglich des EU Green Bond Standard. Vor dem Hintergrund der GBP und SBP und ihrer Community sind wir darauf fokussiert, dass jeglicher Standard mit diesen internationalen Marktstandards kompatibel ist.

Befürchten Sie, dass ein Greenwashing Schaden im Markt für Green und Sustainable Bonds anrichten könnte?

Jede absichtliche missbräuchliche Verwendung von Standards oder beabsichtigte irreführende Angaben, wenn sie denn ans Tageslicht kommen, wären ein Problem für die Kapitalmärkte, und zwar für die regulierenden Stellen und die Marktteilnehmer. Das ist kein alleiniges Phänomen für den Markt der grünen Instrumente – das gilt für alle Kapitalmärkte ganz allgemein. Im grünen Kapitalmarktsegment haben wir wenn überhaupt nur wenige Vorwürfe gesehen, die in die Nähe eines solchen Verhaltens gerückt werden könnten. Was wir gesehen haben, ist eine ernsthafte Debatte und in einigen Fällen auch Uneinigkeit darüber, wo die akzeptable Schwelle für Grün oder Nachhaltigkeit bei Projekten gesetzt werden muss, die über grüne, soziale und nachhaltige Anleihen finanziert werden. Es gibt auch unterschiedliche Ansichten darüber, ob alle Unternehmen, also auch solche aus Branchen, die unter Umweltfragen als Herausforderung anzusehen sind, die Möglichkeit haben sollten, grüne Anleihen zu emittieren, oder nicht, und das sogar dann, wenn die Mittel klar grünen Projekten zugeordnet werden können und es dem Unternehmen helfen würde, zu einem stärker nachhaltig ausgerichteten Geschäftsmodell zu kommen.

Wie sehen Sie die Zukunft für Sustainable Finance, und zwar über grüne, soziale und nachhaltige Anleihen hinaus?

Auf dem hohen Level für grüne, soziale und nachhaltige Anleihen wird es in der Zukunft zu einer weiteren Internationalisierung des Marktes in Richtung von neuen Märkten kommen. Wir denken, Emerging Markets werden der nächste Schritt sein. Und es wird zu einer größeren Vielfalt von Emittenten kommen auch in Richtung von Sub-Investment Grade, also High Yield. Es hat auch signifikante Weiterentwicklungen in Richtung von grünen Kreditprodukten gegeben, einschließlich der Veröffentlichung der Green Loan Principles und der Sustainability Linked Loan Principles. Sie enthalten Vorgaben, mit denen sich Schuldner verpflichten, bestimmte Nachhaltigkeitsmaßstäbe zu erreichen, zusätzlich zu den Kredit-Covenants, die ohnehin schon in diesen Produkten verankert sind.

Wird Green und Sustainable Finance zu einem Thema für die Zentralbanken unter Aufsichtsaspekten, wenn Banken mehr und mehr aktiv im grünen und nachhaltigen Bereich werden? Zum Beispiel vergeben Banken Kredite an Unternehmen aus dem Bereich erneuerbarer Energien, wodurch sich Risikofaktoren verändern, mit denen Banken konfrontiert sind.

Gute Frage – in der Tat steht das bereits auf der Agenda für Zentralbanken und Bank-Regulierer. Die Diskussion, wie nachhaltige Finanzen und aufsichtsrechtliche Regulierung interagieren sollten, hat bereits begonnen. Das findet im sogenannten Central Bank and Supervisors Network for Greening the Financial System – dem NGFS – statt. Die Task Force on Climate Related Financial Disclosures – TCFD – stellt Richtlinien zu freiwilligen Angaben, Maßstäben und Klimaszenarios für Finanzunternehmen und Nichtfinanzunternehmen bereit. Angesichts des Fokus der Aufsichtsbehörden auf den Klimawandel erwarten wir, dass diese Diskussion in der nahen Zukunft noch intensiviert und granularer wird.

Das Interview führte Kai Johannsen.


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