GREEN BONDS - INTERVIEW ZUR SERIE GREEN BONDS (3): WERNER HOYER, EUROPÄISCHE INVESTITIONSBANK (EIB)

„Wir haben eine Riesenerfolgsstory“

Der EIB-Präsident über Green Bonds, das Erfordernis einer gemeinsamen Sprache, das internationale Potenzial und den Vorstoß des Bundes mit grünen Anleihen

Artikel Interview

Die Europäische Investitionsbank (EIB) ist der Pionier der grünen Anleihen. EIB-Präsident Werner Hoyer geht im Interview der Börsen-Zeitung auf Perspektiven dieses erfolgreichen Marktes ein. Er begrüßt den Vorstoß des Bundes, ebenfalls in grüne Staatsanleihen einsteigen zu wollen.

Börsen-Zeitung, 11.5.2019

Herr Hoyer, die EIB hat im Jahr 2007 mit den Climate Awareness Bonds (CAB) den Grundstein für den Markt der grünen Anleihen gelegt, der sich als feste Größe im Fixed-Income-Universum etabliert hat. Woher kam seinerzeit der Impuls?

Werner HoyerDer Anstoß kam aus der Politik. Im März 2007 hat die EU mit der Berliner Erklärung klargemacht, dass Energiepolitik und Klimaschutz Hauptsäulen europäischer Integration sind, dass Europa nur gemeinsam erfolgreich gegen die globale Bedrohung des Klimawandels vorgehen kann. Mit ihrem Energieaktionsplan setzte die EU unmittelbar auf konkrete Maßnahmen. Wir haben uns in diesem Zusammenhang verpflichtet, transparent und ambitioniert Investitionen in erneuerbare Energien und Energieeffizienz zu fördern. Mit unserer Klimaschutzanleihe, die wir eigens für die Identifizierung und detaillierte Beschreibung solcher Projekte für den Markt entwickelt haben, waren wir in der Lage, die Mittel aus der Anleihe präzise einzelnen Projekten zukommen zu lassen und darüber hinaus eine transparente Berichterstattung über den konkreten Ablauf der geplanten Auszahlungen zu leisten. Die Anleihe bietet Kapitalmärkten nicht nur die Refinanzierung an, sondern auch eine Monitoring-Funktion.

Was war noch ausschlaggebend?

Mit einer Stückelung von lediglich 100 Euro und der Hilfe der Prospektrichtlinie war die Anleihe auch die erste, die Kleinanlegern in jedem Heimatmarkt der EU den Einstieg in Green Bonds ermöglichte. Viele am Markt haben die Erfolgschancen unseres Vorhabens anfangs in Frage gestellt. Heute haben wir mit den Klimaschutzanleihen der EU-Bank eine Riesenerfolgsstory, die auf dem Grundsatz der Nachhaltigkeit fußt.

Was war das kriegsentscheidende Element für diese Entwicklung?

Entscheidend für den Erfolg war unser Vorgehen, das Projektrisiko bei der Bank zu belassen, da die meisten Investoren das Risiko nicht einschätzen beziehungsweise nicht direkt tragen konnten. Rechtlich gibt es keinen Unterschied zwischen Klimaschutzanleihen und den weiteren Emissionen der Bank; die Kreditwürdigkeit ist gleich. Die grünen Anleihen bieten Kapitalmärkten aber einen tieferen Einblick in die Aktivitäten des Emittenten. Das waren die Voraussetzungen für das Wachstum und die Bedeutung dieses Markts. Ein steigendes Emissionsvolumen über die Zeit, eine Erweiterung des Spektrums an Emittenten sowie die breite Platzierung sorgten und sorgen auch heute für mehr Klarheit, Disziplin und stetige Verbesserung. Kapitalmärkte suchen und belohnen Exzellenz, dadurch entsteht ein Gruppenzwang unter den Emittenten, der sich zugunsten einer nachhaltigen Gesellschaft entfaltet – und das mit einer wegweisenden Rolle der EU-Bank.

Sind noch andere Aspekte wichtig?

Von Bedeutung sind auch Flexibilität und Pragmatismus: Wer begibt, der entscheidet den Anleihefokus, das ist eine Binsenweisheit. Eine klare und realistische Perspektive ermöglicht eine konstruktive Kooperation mit den Märkten in der Produktentwicklung. Zentrale Fragen waren dabei: Wie erreiche ich Nachhaltigkeit? Wie kann ich diese messen und darstellen? Wie lässt sich eine zuverlässige Datensammlung für Allokation und Berichterstattung gewährleisten, die der Markt akzeptiert? Dies alles auf den Weg zu bringen, ging nur in enger Abstimmung mit den Marktteilnehmern, die uns dann unterstützt haben.

Die EIB ist der bedeutendste Emittent grüner Anleihen. Wie sehen Sie Ihre künftige Rolle in diesem Marktsegment sowohl als Emittent als auch als Standardsetzer?

Unsere Vorbildfunktion im grünen Segment ist überaus wichtig. Wir haben harte Standards durchgesetzt und damit das Vertrauen der Märkte gewonnen. Das war nur möglich, indem wir Teilnehmern einen breiten Einblick in unsere Aktivitäten gewährt haben. Grün heißt bei uns: zielgenaue Investitionen. Das hat sich herumgesprochen. Mit der wachsenden Nachfrage nach Green Bonds hat die Bank somit de facto eine zusätzliche Erklärungsfunktion für das breite und nichtspezialisierte Publikum übernommen. Dieses Publikum will wissen, was zum Schutze der Umwelt – und insbesondere des Klimas – technisch möglich ist und welche Projekte in welcher Form dazu beitragen. Dies erklärt nicht zuletzt die Bedeutung unserer engen Kooperation mit der Europäischen Kommission im Nachhaltigkeitsbereich. Die EIB ist beispielsweise die erste Emittentin, die eine direkte Verbindung zwischen Green-Bond-Dokumentation und EU-Taxonomie etabliert hat.

Was heißt das für konkrete Initiativen?

Das lässt sich etwa sehr gut an unserer Kapitalmarktabteilung ablesen. Es ist kein Zufall, dass diese Abteilung den Vorsitz der Green Bond Principles, die Durchführung interner sowie externer Due Diligence, die Verbesserung der Verwaltung der grünen Anleihen, die Koordinierung entscheidender Arbeitsgruppen und Konsultationen im Markt sowie die Vertretung der Bank in der High-Level-Expertengruppe-Sustainable Finance der EU übernommen hat. Hier hat die Bank entscheidende und weitreichende Akzente gesetzt, was sie jetzt auch im Rahmen des EU-Aktionsplans zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums vom März vergangenen Jahres fortsetzen wird. Das Ziel ist die Entwicklung marktorientierter Maßnahmen, die Privatinvestitionen zugunsten nachhaltiger Entwicklung ausrichten und stärken können. Wir brauchen klare Kriterien und eine saubere Taxonomie für Nachhaltigkeitsanleihen, damit sich diese Papiere am Markt durchsetzen. Dann wird auch die Angst verschwinden, dass jemand ein weißes Blatt grün anmalt und es Green Bond nennt. Eine Angst, die ich im Übrigen nachvollziehen kann.

Sie sprechen die technische Expertengruppe der EU an, in der die EIB zur Erarbeitung der EU-Taxonomie für Green und Sustainable Finance beiträgt. Was sind für Sie die dringlichsten Erfordernisse, die diese Taxonomie im Green-Finance-Markt realisieren soll?

Die Sustainable Finance Study Group der G20-Staaten hat festgestellt, dass der Markt für Green Finance intransparent ist. Es gibt nicht nur unterschiedliche Ansichten und Prioritäten, es fehlt auch eine gemeinsame Sprache. Dies mindert Vergleichbarkeit und Effizienz, erhöht Unsicherheit, fragmentiert Beratung und Verifizierung und birgt am Ende Reputationsrisiken und hohe Kosten. Wir brauchen endlich ein gemeinsames Lexikon und eine einheitliche Messlatte. Nur so kann der Markt funktionieren und positiven Einfluss auf die nachhaltige Entwicklung der Volkswirtschaft ausüben. Im Übrigen kann es keine nachhaltigen Finanzinstrumente ohne nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten geben.

Was bedeutet das in der Praxis?

Wir müssen, um Nachhaltigkeitsanleihen EU-konform zu emittieren, die Kreditauswahl- sowie die Anleiheallokationskriterien in Einklang mit der neuen europäischen Nachhaltigkeitstaxonomie bringen. Je mehr Kredite zielgenau identifiziert und klassifiziert werden können, desto mehr Anleihen können wir begeben. Das heißt aber auch klipp und klar: Wir müssen uns in die Karten schauen lassen, was wir mit dem Geld machen. Uns ist das bewusst, und wir sind dazu bereit. Aber ich bin mir nicht sicher, ob dies allen Emittenten so bewusst ist.

Die Taxonomie wird auch außerhalb Europas bereits von vielen Ländern verfolgt. Hat diese Taxonomie das Zeug, zu einer Blaupause in anderen Ländern und damit weltweit zu werden?

Davon bin ich fest überzeugt, und wir Europäer sollten unser Licht auch nicht unter den Scheffel stellen oder uns unsere Taten kleinreden lassen. Wir sind in Gesprächen mit wichtigen Partnern, zum Beispiel mit China. Das Land hat bereits vor einigen Jahren erkannt, dass Green Bonds eine zentrale Rolle für die Umsetzung der Umweltpolitik spielen können. Ende 2015 wurde der China-Katalog auswählbarer Green-Bond-Projekte mit Unterstützung aller Aufsichtsbehörden veröffentlicht. Dieser Schritt hat das chinesische Emissionsvolumen massiv nach oben getrieben. Bereits ein Jahr später kamen fast 40 % sämtlicher Neuemissionen in dem Segment aus dem Land der Mitte. Weitere 40 % der Bonds entfielen auf Europa beziehungsweise wurden von multilateralen Entwicklungsbanken begeben, was die Bedeutung der Kooperation zwischen China und der EU deutlich macht. Schon allein deshalb müssen wir darauf achten, dass unsere Standards mit denen Chinas bestens abgestimmt sind.

Gibt es schon konkrete Zusammenarbeiten?

Ja, seit Anfang 2017 arbeiten etwa das China Green Finance Committee und die EIB unter der Ägide der chinesischen Zentralbank an der Entwicklung eines gemeinsamen Taxonomie-Ansatzes zusammen. Wir haben den China-Katalog mithilfe der Prinzipien, die wir auch in der High Level Expert Group der EU-Kommission vorgeschlagen haben, analysiert und Terminologien sowie Kriterien verglichen. Dies wurde dann als Grundlage für konkrete Diskussionen mit Forschungsinstituten, ESG-Ratingagenturen, Wirtschaftsprüfern und anderen multilateralen und nationalen Förderbanken herangezogen. Unsere Kooperation mit CGFC bietet ein Muster für internationale Zusammenarbeit, wie sie positive Effekte für die globale Perspektive mit sich bringen kann.

Und was heißt das für den Markt?

Mehr Klarheit im Markt heißt nicht, ein One-size-fits-all-Modell zu errichten. Was wir stattdessen brauchen, sind international abgestimmte und vergleichbare Indikatoren, die eine transparente Gegenüberstellung unterschiedlicher Präferenzen und Prioritäten erlauben. Auf dieser Basis können öffentliche Stellen zusammen mehr Klarheit über gemeinsame Ziele und deren zeitliche Implementierung schaffen, so dass der Markt informiert und effizient grenzüberschreitende Investitionsentscheidungen treffen kann. Zu diesem Zweck ist die Taxonomie-arbeit der EU-Kommission maßgebend. Ohne Standards kann es keine Vergleiche und keine diesbezügliche Diskussion geben.

Im Herbst 2018 hat die EIB die nächste Innovation gebracht. Sie haben den ersten Sustainability Awareness Bond oder Nachhaltigkeitsbond emittiert, der einen sehr herzlichen Empfang im Bondmarkt bekam. Wie stellen Sie sich Ihre künftige Rolle und Ihre Aktivitäten in diesem Segment vor?

Die Climate Awareness Bonds haben sich bisher lediglich auf Klimaschutzprojekte in den Bereichen erneuerbare Energie und Energieeffizienz konzentriert. Die Europäische Kommission hat dazu jetzt eine breitere Definition von Nachhaltigkeit angenommen, die auch andere klimaschützende Tätigkeiten wie zum Beispiel im Bereich Transport enthält sowie darüber hinaus auch weitere Umwelt- und Sozialziele. Mit ihren Sustainability Awareness Bonds greift die EIB diese breitere Definition auf. Die Anleiheerlöse werden Krediten zugeführt, die zur Verwirklichung eines oder mehrerer dieser weiteren EU-Ziele beitragen, wie zum Beispiel der Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung oder des Schutzes von Wasser- und Meeresressourcen. Kredite an Wasserprojekte sind ein gutes Beispiel. Gerade der Schutz der Ozeane und das Thema, wie wir mit unseren Flüssen umgehen und welche Maßnahmen wir ergreifen, wird in den nächsten Jahren und Jahrzehnten zu einem Megathema werden.

Was heißt das für die Taxonomie?

In bestimmten Umwelt- und Sozialbereichen, die die Europäische Kommission erst später adressieren wird, kommt der Bank eine wichtige Vorreiterrolle zu. Da eine europäische Taxonomie noch nicht existiert, wollen wir unsere Erfahrung in der Klassifizierung und Beitragsmessung der Projekte zur Geltung bringen und somit Referenzen für den gesamten Markt setzen. Dies setzt die Einbindung von EIB-Experten in Projektfeldern voraus, die über Energie und Klima hinausgehen, sowie auch eine entsprechende Anpassung der internen Verwaltungsstruktur. Innerhalb der Bank haben wir im Übrigen Ende 2018 eine neue Einheit im Kapitalmarktbereich eingerichtet, die sich ausschließlich dem Sustainability Funding widmet.

Klimaschutz- und Nachhaltigkeitsanleihen zu emittieren, ist die eine Seite der Medaille. Die andere besteht darin, als Institution grün und nachhaltig zu sein. Wie stark hat sich die EIB nicht nur als Emittent, sondern auch als Institution dem Thema verschrieben und lebt es vor?

Das ist natürlich eine Frage der Glaubwürdigkeit. Wenn wir Investoren unsere Anleihen verkaufen wollen, dann müssen wir das Thema grün und nachhaltig auch glaubhaft vorleben und das mit einem klaren Reporting untermauern. Das nehmen wir sehr ernst, es ist Teil unserer Mission, die im EU-Vertrag festgeschrieben ist. Der Vertrag weist ausdrücklich darauf hin, dass die Union einen Binnenmarkt errichtet und dadurch auf die nachhaltige Entwicklung Europas einwirkt. Sozialer Fortschritt und Umweltschutz werden explizit neben Wirtschaftswachstum und Preisstabilität als Grundlage der Mission genannt. Der Vertragsansatz erklärt auch, warum die Kommission ihren Aktionsplan zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums als Bestandteil der Kapitalmarktunion präsentiert hat. Wir haben uns in diesem Zusammenhang verpflichtet, in einer fünfjährigen Periode, die kommendes Jahr endet, 100 Mrd. Dollar an Klimaschutzkrediten zu vergeben. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir dieses Ziel erreichen werden.

Als Präsident der EIB haben Sie die EU-Perspektive. Mit deutscher Herkunft haben Sie aber auch einen Blick auf die Entwicklung in Deutschland in Sachen Green und Sustainable Finance. Der Bund verfolgt nun den Plan, ebenfalls in den Markt der grünen Anleihen einzusteigen. Wie bewerten Sie diesen Schritt?

Ich freue mich, dass in Deutschland jetzt diese Aufbruchsstimmung herrscht. Man kann auf politischer Ebene keine Nachhaltigkeitsstrategie entwickeln, ohne auch gleichzeitig eine Sustainable-Finance-Strategie auf den Weg zu bringen. Dieser Weg ist jetzt eingeschlagen. Finanzministerium wie Umweltministerium sind gehalten, im Rahmen der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie eine Sustainable-Finance-Strategie zu entwickeln, um Deutschland zu einem führenden Sustainable-Finance-Standort weiterzuentwickeln. Ich bin überzeugt, dass wir hier gute Resultate sehen werden. Eine Emissionstätigkeit des Bundes im Bereich grüner Bundesanleihen – so wie es jetzt beabsichtigt ist – kann einen wesentlichen Beitrag zum nachhaltigen Wachstum des Green-Bond-Marktes leisten. Ich begrüße es in diesem Zusammenhang auch sehr, dass im Juni dieses Jahres die Green-Bond-und-Social-Bond-Principles-Jahrestagung des internationalen Kapitalmarktverbandes ICMA in Frankfurt am Main stattfinden wird.

Welchen Stellenwert räumen Sie Public Private Partnerships in der künftigen Entwicklung von Green & Sustainable Finance ein, insbesondere auch bei der Risikominderung für private Kapitalgeber?

Zunächst muss man festhalten, dass mehr als 90 % aller Infrastrukturinvestitionen nach dem klassischen Vergabeverfahren ausgeschrieben werden. Das bedeutet, dass die öffentliche Hand die Investitionen nicht nur finanziert, sondern auch durchführt. Das muss man im Blick haben, wenn man über Möglichkeiten der Risikominderung und -teilung nachdenkt. Der derzeitige Projektfinanzierungsmarkt für nachhaltige Investitionen ist äußerst überschaubar. Wollen wir nachhaltige Investitionen fördern, stehen zwei Arten von Anreizmechanismen zur Verfügung: erstens, die Auswahl nachhaltiger Investitionen – also in der Regel Kredite – für die Allokation von Green-Bond-Erlösen. Das machen wir heute.

Und die zweite Variante?

Denkbar ist aber auch ein Mechanismus der Risikoteilung, mit anderen Worten, die Übernahme von Kreditausfallrisiken durch den Anleihegläubiger über das Rating des Emittenten hinaus. Letzteres haben wir bisher nicht in Kombination mit Green Bonds angeboten. Der Grund ist, dass das AAA-Rating der EIB unser Kerngeschäftsmodell darstellt und damit standardisiert abzuwickeln ist. Es ist sowohl für den Finanzinvestor als auch für den Projektträger vorteilhaft. Der Projektträger bekommt für sein Projekt die besten Konditionen am Markt, und der Finanzinvestor kann sich sicher sein, dass sein Geld in qualitativ hochwertige, nachhaltige Vorhaben investiert wird.

Gibt es andere Spielarten?

Möglich wäre natürlich auch eine Verknüpfung von Zweckmittelbindung über Green Project Bonds und Risikoteilung. Man könnte das am Beispiel der Projektanleihen, die wir vor einigen Jahren zusammen mit der EU-Kommission entwickelt haben, aufzeigen. Begibt man zur Finanzierung einer nachhaltigen Investition eine Projektanleihe, kann ein Investor zusätzlich zum Verwendungszweck auch den Risikograd seiner Anlage wählen, zum Beispiel über den Kauf einer Anleihe mit schlechterem als unserem AAA-Rating. Es ist sicherlich einen Gedanken wert, aber ich bezweifle, ob der grüne Kapitalmarkt heute schon reif ist für eine solche Anleihe.

Infrastrukturinvestments werden in den nächsten Jahren noch wichtiger. Wo steht das Thema bei der EIB?

Die Finanzierung von Infrastruktur gehört seit Gründung der EIB zum Kerngeschäft der Bank. Die Infrastrukturassets auf unserer Bilanz belaufen sich auf fast 400 Mrd. Euro, das meiste davon in den Bereichen Energie- und Verkehrsinfrastruktur. Hinzu kommen die soziale sowie die Forschungsinfrastruktur. Es steht außer Frage, dass die Bedeutung von Infrastrukturinvestitionen in den kommenden Jahren und Jahrzehnten weiter zunehmen wird. Der Investitionsbedarf ist heute schon riesig. Glaubwürdige Schätzungen beziffern den Bedarf auf bis zu 4 Bill. Euro pro Jahr weltweit. Die tatsächlichen Investitionen liegen bei weniger als 2 Bill. Euro. Was Europa angeht, so gehen wir von einem zusätzlichen Investitionsbedarf von immer noch 300 Mrd. Euro im Jahr aus – trotz des Juncker-Plans.

Der Fokus liegt auch hier auf Nachhaltigkeit?

Führt man sich die Veränderungen in der Welt in den kommenden Jahrzehnten vor Augen, erkennt man, wie wichtig Investitionen in die Modernisierung und den Ausbau der Infrastruktur in der Welt sind. Dabei steht völlig außer Frage, dass die Infrastruktur von morgen nachhaltig sein muss. Klimawandel, die Erhaltung der Biodiversität sowie die Anpassung an soziale Veränderungen sind Grundvoraussetzungen, deren Einhaltung darüber entscheiden wird, ob eine Infrastruktur von Nutzen sein wird oder aber Schaden anrichtet. Für uns in der EIB ist das ein ganz zentraler Punkt: Vorhaben, die diese Kriterien nicht erfüllen, finanzieren wir nicht.

Digitalisierung, E-Mobilität und Smart City sind Themen, die nicht nur zentral für unsere Gesellschaft werden, sondern auch gewaltige Finanzierungsanstrengungen nach sich ziehen werden. Welche Priorität hat dieses Thema in Ihrem Hause?

Eine sehr hohe und das nicht erst seit heute. Es hat sich ja mittlerweile herumgesprochen, dass Europa, und hier besonders Deutschland, im Bereich der Digitalisierung hinterherhinkt. Man kann doch schon fast sagen: Deutschland ist eine digitale Wüste, dazu müssen Sie nur mit dem Pkw von Frankfurt nach Luxemburg fahren. Aber mir macht in Europa nicht nur der digitale Sektor Sorgen. Egal, welchen Technologieindikator Sie heranziehen, die EU rangiert weit hinter den USA, Japan, Südkorea und China entlang der gesamten digitalen Wertschöpfungskette. Angefangen bei den Halbleitern über die Gerätehersteller bis hin zu den Geschäftsmodellen: Es scheint so, als habe Europa den Anschluss auf breiter Front verloren. Das kann nicht gut gehen.

Droht uns die Abhängigkeit?

Wir befinden uns bereits in einer technologischen Abhängigkeit. Diese Schwäche ist mit dem Selbstverständnis und Wohlstand Europas schlichtweg nicht vereinbar.

Und wie kommt Europa da raus?

Ein Beispiel, im Wettbewerb aufzuholen, sind die Investitionen der Automobil- und Elektronikindustrie in die E-Mobilität. Wir als EU-Bank fördern diese Vorhaben auf breiter Basis, von der Batterie- und E-Auto- Entwicklung, über die Finanzierung einer Batteriezellenfertigung bis hin zu Carsharing-Diensten. Darüber hinaus müssen wir uns dringend mit der Modernisierung der städtischen Infrastruktur beschäftigen. Dazu gehören natürlich auch Investitionen in Smart Cities.

Was ist die Voraussetzung dafür?

Grundvoraussetzung ist eine Telekommunikationsinfrastruktur auf höchstem technologischen Stand. Da sind wir bei den Themen schnelles Internet und Mobilfunk. Glasfaserausbau und 5G sind keine Option, sondern eine Notwendigkeit. Neben den unmittelbaren Produktivitätspotenzialen, die hier schlummern und die wir heben müssen, muss man sich vor Augen führen, dass Nachhaltigkeit und Digitalisierung Hand in Hand gehen. Geringere Treibhausgasemissionen durch Energieeffizienz, bessere Luft und Reduzierung des Lärms durch E-Mobilität sind nur ein paar Beispiele, wie uns Digitalisierung helfen kann, einen Teil unserer Umweltprobleme zu verringern. Wir müssen dies in Europa, und natürlich auch in Deutschland, endlich angehen.

Das Interview führte Kai Johannsen.


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