SERIE: GREEN BONDS (2)

Der Bund wird grün

Deutschland bereitet innovativen Einstieg in Green-Bond-Markt vor – Dänemark ist mit von der Partie

Der Bund bereitet den Einstieg in den Green-Bond-Markt vor, und zwar mit einem innovativen Staatsanleiheprodukt. Aus einem internen Dokument geht hervor, wie die Ausgestaltung dieser grünen Bundesanleihe aussehen wird. Das Konzept verfolgt auch Dänemark, das ebenfalls in Green Bonds einsteigen will.

Von Kai Johannsen, Frankfurt

Börsen-Zeitung, 10.5.2019

Das lange Warten der Green-Bond-Anleger hat ein Ende: Der Bund steht vor einem Einstieg in den Markt der grünen Staatsanleiheprodukte. Auf Anfrage der Börsen-Zeitung erklärte Tammo Diemer, Co-Geschäftsführer der Deutschen Finanzagentur, der Schuldenmanager des Bundes: „Der Prüfauftrag des Staatssekretärsausschusses für nachhaltige Entwicklung zu grünen Bundesanleihen ist breit angelegt. In diesem Zusammenhang prüfen wir derzeit auch eine Innovation, nach der die Verpflichtung des Bundes zu grünen Investitionen in einem separaten Wertpapier festgeschrieben würde. In Kombination mit einer klassischen Anleihe des Bundes erhielte der Investor eine grüne Bundesanleihe. Die Transparenzverpflichtungen unterlägen dabei den etablierten Marktstandards.“

Der künftige Emittent dieses grünen Anleiheproduktes lässt sich aber auch schon ein wenig tiefer in die Karten schauen, warum er genau diesen Weg mit diesem innovativen Produkt wählt: „Mit dieser Innovation würde zum einen Transparenz über den Wert der Verpflichtung zum grünen Investment hergestellt, was für Emittenten wie für Investoren positiv wäre. Zum anderen ließe sich der erfolgreiche Kapitalmarktauftritt des Bundes ohne Segmentierung fortführen“, heißt es bei der Finanzagentur zu den Plänen weiter. Denn der Marktauftritt mit Bundeswertpapieren in der Form, wie er seit Jahren und eben auch heute stattfindet, ist für den Emittenten Bund ausgesprochen wichtig. Er soll so erhalten bleiben, wie er heute ist. Viele staatliche Emittenten möchten Investorenverschiebungen vermeiden, sie wollen auch sicherstellen, dass durch ein innovatives Produkt die Liquidität der bereits emittierten Staatsanleihen, die nicht grün sind, auch nicht abnimmt. Märkte sollen nicht zersplittert, d. h. segmentiert werden.

Hohe Liquidität im Blick

Das sind bei vielen Emittenten Sorgen, die mit diesem Produkt dann auch adressiert werden. Derartige Aspekte sind auch für die Deutsche Finanzagentur ausgesprochen wichtig und werden beim Schuldenmanager deshalb verständlicherweise auch sehr ernst genommen. Schließlich handelt es sich um den bedeutendsten Emittenten der Eurozone, den Benchmarkemittenten. Und so heißt es bei der Finanzagentur weiter: „Eine Maxime für das Schuldenmanagement ist, dass wir keine vermeidbaren Kosten für den Bund, also den Steuerzahler, verursachen wollen. Als Benchmark-Emittent im Euroraum refinanzieren wir uns vergleichsweise günstig. Dies stellt uns bei der Fortentwicklung unserer Produkte vor spezifische Herausforderungen. Neben den Kosten sind eine hohe Liquidität der Bundeswertpapiere sowie Transparenz und Verlässlichkeit in der Emissionspolitik für unseren Status essenziell.“

Auch wenn der Bund bislang noch keine explizit als „grün“ eingestuften Bundesanleihen oder als „nachhaltig“ qualifizierte Wertpapiere begeben hat, werden diese herkömmlichen Anleihen vielfach als nachhaltige Anleihen des Bundes angesehen. Darauf weist auch die Finanzagentur hin: „Unsere heutigen Anleihen werden nach den gängigen Investitionsstandards bereits als nachhaltig eingestuft, auch wenn wir sie nicht explizit als ,grüne` Papiere emittieren. Mit unseren aktuellen Überlegungen starten wir daher auf hohem Niveau“, heißt es bei der Finanzagentur mit Blick auf die anstehende Innovation. Denn das Thema wird bei der Finanzagentur und bei dem Hausherrn der Finanzagentur, dem Bundesministerium der Finanzen sehr ernst genommen: „Nachhaltigkeit ist ein Thema unserer Zeit und Sustainable Finance beschäftigt uns zunehmend in unserer Funktion als Schuldenmanager für den Bund“, erklärt die Finanzagentur.

Sehr weit fortgeschritten

Nach Informationen der Börsen-Zeitung ist die Ausgestaltung des neuen grünen Anleiheproduktes schon in einem sehr weit fortgeschrittenen Stadium. Es steht kurz vor der Marktfähigkeit. Es handelt sich um eine wirkliche Produktinnovation, sprich: es gibt am Markt bisher kein ähnliches oder vergleichbares Produkt, aus dem der neue Ansatz abgeleitet werden oder der als Vorbild dienen könnte. Aus einem internen Dokument, das der Börsen-Zeitung vorliegt, geht die Produktausgestaltung, die der Bund bei seinen Plänen zum eigenen Auftritt mit einem grünen Bondprodukt verfolgt, detailliert hervor. Ursprünglich kommt der Ansatz aus dem Königreich Dänemark, das dieses Produkt ebenfalls für seinen eigenen Einstieg in den Markt für Green Bonds nutzen wird. Dem Vernehmen nach ist Dänemark damit ebenfalls schon sehr weit fortgeschritten und diskutiert diesen Ansatz mit verschiedenen Marktteilnehmern und auch anderen Staaten.

Dänemark will keine klassische grüne Staatsanleihe – so wie sie von Frankreich, Belgien, Polen, Irland oder demnächst auch den Niederlanden eingesetzt werden, verwenden. Vielmehr soll es zwei Produkte geben, die miteinander kombiniert werden, so dass auf diese Weise eine grüne Staatsanleihe entsteht. Vorgesehen sind nach dem dänischen Vorbild die folgenden beiden Komponenten (vgl. Grafik). Eine grüne Staatsanleihe besteht zum einen aus dem reinen Anleiheteil mit den üblichen Charakteristika wie Nominalbetrag, Laufzeit, Kupon, Emittent etc. Das ist von allen Anleihearten in dieser Form bekannt. Des Weiteren gibt es eine Verpflichtung des Anleiheemittenten, dass die Erlöse aus dieser Anleihe – also das Nominal – für grüne Zwecke eingesetzt werden, also zum Beispiel für ein Klima- oder Umweltprojekt.

Das könnte zum Beispiel die Finanzierung eines Projektes im Bereich der erneuerbaren Energien sein. Zu denken ist an einen Offshore-Windpark in der Nordsee vor der Küste Schleswig-Holsteins, um zur Energieversorgung des Landes über alternative Quellen beizutragen. Und genau diese beiden Komponenten einer grünen (Staats-)Anleihe – so der Ansatz Dänemarks und zugleich auch Deutschlands – sollen jetzt voneinander separiert werden. Das bedeutet, dass es folgende Bestandteile gibt. Erstens: Die herkömmliche Anleihe, so wie sie die Anleger auch heute kennen. Das heißt für die Bundeswertpapiere gemäß Laufzeitenabgrenzung: Bundesschatzanweisungen (zweijährige Papiere), Bundesobligationen (fünf Jahre Laufzeit) und Bundesanleihen (zehn und 30 Jahre). Daneben gibt es auch noch Linker, Geldmarkttitel (Bubills) und, wenn es lohnend erscheint, Anleihen in fremder Währung. Zweitens: Es gibt eine Art „Zusatz“, der dann salopp ausgedrückt, eine Bescheinigung / einen Nachweis darstellt, dass die Gelder in grüne Zwecke investiert werden. Es handelt sich um zwei Wertpapiere, die beide mit einer eigenen ISIN ausgestattet sind und die dann in Kombination eine grüne Staatsanleihe ergeben. Der Unterschied zu den bislang bekannten grünen Staatsanleihen besteht also lediglich darin, dass es sich nicht um ein Element (grüne Staatsanleihe), sondern um zwei Elemente handelt (herkömmliche Staatsanleihe zuzüglich grüner Zusatz oder Ergänzung), die beide als eigenes Wertpapier ausgestaltet sind. Das hat auch aus Sicht von Emittenten und Investoren den Vorteil, dass später beide Elemente, d. h. beide Wertpapiere, separat voneinander gehandelt werden können.

Dänen haben schon Namen

Der Bund hat den Prozess der Namensgebung für das grüne Anleiheprodukt noch nicht abgeschlossen. In Dänemark ist der Prozess schon einen Schritt weiter. Dort soll dieser grüne Zusatz / diese Ergänzung folgendermaßen heißen: Proof of Green. Am ehesten kann man in diesem Zusammenhang an den Ausweis einer Kreditwürdigkeit denken, einen Proof of Creditworthiness. So wird der Markt dann also auch um einen neuen Namen für ein Kapitalmarktprodukt bereichert. So könnte es ein „Green Bund-Extra“ geben. Oder ein „Grüner Bund-Zusatz“ könnte das Licht der Welt erblicken. Denkbar sind die „Bundesanleihen mit grüner Ergänzung“ oder die „Bundesobligation mit Green Add-on“ oder „Bundesanleihen mit grünen Element oder grünem Anhang“.

Nach Informationen der Börsen-Zeitung steht dem neuen Anleiheprodukt des Bundes auch in rein rechtlicher und technischer Hinsicht nichts entgegen. Dem Vernehmen nach wurde das geprüft mit positivem Ergebnis aus Sicht des Emittenten. Somit steht einem Gang an den Markt auch von dieser Seite nichts im Weg.

Depot um „Grün“ bereichern

An den Markt bringen will das Königreich Dänemark sein neues Produkt nach Informationen dieser Zeitung im Rahmen der traditionellen Auktionen von Staatsanleihen. Es wird dann angekündigt, dass bei einer Auktion einer herkömmlichen Anleihe Dänemarks dann auch der grüne Zusatz, also das Proof of Green, wie es bei den Dänen heißen soll, via Auktion an den Markt gebracht wird. Die Primary Dealers, also die Banken, mit denen die dänischen Schuldenmanager bei der Versteigerung der Anleihen zusammenarbeiten, können diese Anleihe samt Proof of Green dann in der Auktion ersteigern. Andere institutionelle Anleger oder auch Privatanlegern können sich daran verständlicherweise nicht beteiligen, denn das Refinanzierungsgeschäft des Staates wird nur über diese Primärbankengruppe durchgeführt. Andere institutionelle Investoren und Privatanleger können die Anleihe mit Proof of Green dann am Sekundärmarkt erwerben. Privatanleger werden hierfür Orders bei ihren Geschäftsbanken erteilen, mit denen sie ihre Bankverbindung unterhalten. Auf diese Art und Weise können Anleger dann ihr Depot um entsprechende grüne Anleiheinstrumente (Anleihe plus grüne Ergänzung) bereichern.

Das wäre dann auch genau das Vorbild für den Bund. Er arbeitet genauso wie Dänemark mit Primary Dealers. Das ist beim Bund die Bietergruppe Bundesemissionen, die aus 36 in- und ausländischen Banken besteht und die dann bei den Auktionen von Bundeswertpapieren aktiv werden. Eine grüne Bundesanleihe, bestehend aus Anleihe und grünem Extra, könnte ebenso für eine bestimmte Auktion angekündigt werden und dann über die Bietergruppe Bundesemissionen im zweiten Schritt an weitere Anleger gelangen, d. h. über den Sekundärmarkt.

Entscheidend bei dieser Vorgehensweise ist für Dänemark und offenkundig auch für den Bund, dass der bei Investoren etablierte Marktauftritt keinen Schaden durch das neue Instrument nimmt. Das bedeutet: Die Liquidität der herkömmlichen Anleihen nimmt durch das neue Instrument nicht ab. Der Markt wird des Weiteren nicht durch das neue Instrument segmentiert, denn es handelt sich nach wie vor um exakt die gleiche Anleihe, die auch separat vom grünen Zusatz gehandelt werden kann. Und es sind auch keine Investorenverschiebungen weg von einer hin zu einer anderen Anleihe zu befürchten. Der Emittent achtet somit darauf, seinen wichtigen angestammten Investorenkreis nicht zu verärgern und damit Standbeine im Markt in Gefahr zu bringen. Das mag für manche kleinere Emittenten sehr wichtig sein. Es zeigt sich aber auch am Beispiel von Belgien, das grüne Anleihen in der bislang bekannten Form wählt, und eben auch nicht zu den größten Emittenten auf der internationalen Bühne zählen, dass dieses Problem nicht von allen als so gravierend angesehen wird. Mancher Experte mag es womöglich mit einem kleinen Fragezeichen versehen, ob eine Gefahr eines angekratzten traditionellen Marktauftritts durch grüne Bundesanleihen in der Form wie Frankreich oder Belgien sie begeben, für den Bund tatsächlich gegeben wäre.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist bei der Ausgestaltung des Produktes, dass die Stückelung in einer Größenordnung vorliegt, die es auch Privatanlegern ermöglicht, das Produkt zu erwerben. Das soll nach Informationen der Börsen-Zeitung auch geschehen. Und damit geht ein weiterer wichtiger Aspekt einher: Die Funktionsweise des innovativen Produktes muss leicht nachvollziehbar, d. h. verständlich sein, damit ein breiter Kreis von Anlegern, und nicht nur institutionelle Anleger, Zugang zu diesem Produkt finden. Diese leichte Verständlichkeit ist insbesondere mit Blick auf die privaten Anleger wichtig. Ein grüner Zusatz, der ausweist, dass die Gelder grün investiert werden, dürfte diesem Einfachheitsanspruch offenkundig genügen.

Hoffen auf das Jahr 2020

Der Zeitpunkt für den erstmaligen Gang an den Markt des Bundes mit dieser Innovation steht dem Vernehmen nach noch nicht fest. Der Bund und auch die Deutsche Finanzagentur haben aber immer wieder betont, dass grüne Bundesanleihen für 2019 auf jeden Fall nicht auf der Agenda stehen. Da das Produkt auch noch administrativen Vorbereitungsaufwand für Clearing etc. mit sich bringt, ist davon auszugehen, dass es in diesem Jahr vermutlich nicht mehr das Licht der Welt erblicken wird. Anleger werden aber sicher darauf hoffen, dass der Bund es in seiner Jahresvorausschau für 2020 ankündigt.


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